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  • Protoplast ist im Gespräch.

    Protoplast Plakatkampagne "endobone palaectomy " im öffentlichen Raum ( Juni 2024, Basel) Innovative Kunst reflektiert das Denken und Fühlen ihrer Zeit. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist Protoplast, ein Projekt, das 1990 von drei Basler Künstlern ins Leben gerufen wurde. Auf faszinierende Weise widmet es sich Fragen zum menschlichen Dasein und dem Wesen künstlerischen Schaffens. Mit Experimentierfreude und einer einzigartigen Vorgehensweise in der Entstehung ihrer Werke hat sich Protoplast eine Welt geschaffen, die das Publikum in ihren Bann zieht. In unserem Interview werfen wir einen Blick hinter die Kulissen dieses anonym agierenden Kunstkollektivs und lassen uns von den Gedanken der drei kreativen Köpfe inspirieren. Was ist das Ziel von Protoplast und wie ist die Idee entstanden? Protoplast wurde 1990 von drei Basler Künstlern gegründet, die sich mit der Frage nach dem „zeitgemässen menschlichen Unternehmen“ auseinandersetzten. Daraus entstand unser erstes Programm zur Entwicklung, Herstellung und zum Vertrieb von imaginären Produkten. Dieses wurde 2010 abgeschlossen und ein neues Programm zur Generierung von Artefakten gestartet. Es gibt auf diesem Weg kein unbedingtes Ziel, das erreicht werden muss. Die protoplastische Tätigkeit selbst ist für uns erfüllend, faszinierend und befriedigend. Offensichtlich auch für ein immer breiteres Publikum. Was ist für euch der Unterschied zwischen „künstlich“ und „künstlerisch“? Wir nennen unsere heutigen Werke Artefakte. Wir kennen ihre genaue Bedeutung nicht. Hinweise, was damit gemeint sein könnte, finden wir in den offiziellen Definitionen, z.B. „von Menschenhand geschaffen“ oder auch „Bildstörungen“ im Computerbereich. Protoplastische Artefakte werden grundsätzlich ohne künstliche Intelligenz oder computertechnische Hilfsmittel rein manuell und fotografisch generiert. In jahrelanger Entwicklung ist es gelungen, die richtige Beleuchtung vor der Kamera zu bewerkstelligen. Daraus entstehen Installationen, Street Art, Ölgemälde, Holzschnitte, Textilien, geklebte Papierkaskaden und andere Ausformungen. Der Begriff „künstlich“ wird im üblichen Sinne als etwas verwendet, das nicht durch natürliche Prozesse, sondern absichtlich geschaffen wurde. Die zusätzliche Dimension „künstlerisch“ ist eine weitere inhaltliche Bedeutungsebene, die über das rein „Künstliche“ hinausgeht. Gibt es einen gemeinsamen Nenner in der Gegenwartskunst? Das ist eine Frage, die wir uns nie gestellt haben, stellen oder stellen sollten. Denn unsere einzige Arbeit besteht darin, Artefakte zu schaffen, und nicht darin, Texte über die globale Kunst zu schreiben. Deshalb sprechen oder schreiben wir auch nie über unser eigenen Werke. Denn was unsere Artefakte sind, bedeuten oder darstellen, wissen wir selbst nicht - wir sind von ihrem Erscheinen ebenso überrascht wie unser Publikum. Ihre Form können wir nur bedingt beeinflussen, sie entstehen in einem natürlichen Fluss. Die Motive sind rebellisch, will sagen: nicht leicht zu bändigen. Wir befinden uns also im wahren Sinne des Wortes auf der gleichen Seite wie unsere Rezipienten - wir sind ihre Gefährten. Protoplast "watter sport malignism" , 2022 ( Fondation Jetzt Kunst, Basel) Protoplast verdeutlicht auf eindrucksvolle Weise, wie Kunst scheinbare Grenzen überwinden kann. Ihre Werke entstehen in einem fließenden Prozess, der sowohl die Künstler als auch das Publikum überraschend mitreißt. Dieser Prozess schafft ein Gefühl der Gemeinschaft: Künstler und Betrachter begeben sich gemeinsam auf Entdeckungsreise. Protoplast erinnert uns daran, dass Kunst nicht immer nur analysiert, sondern häufig einfach erlebt werden will. Ein bereichernder Abschluss eines ebenso anregenden Gesprächs.

  • Laila Blessano im Austausch mit der Königskammer

    Laila Blessano | Artist Laila Blessano war im schriftlichen Austausch mit der Königskammer und hat ihre Gedanken zur Kunst von heute und morgen geteilt. Sie hat an der ZHdK Fine Arts studiert und beschäftigt sich mit der Frage, was Kunst braucht – konzeptionelle Tiefe, Intuition oder vielleicht beides? Sie schreibt über die Herausforderungen und Möglichkeiten einer künstlerischen Praxis, über den Umgang mit Erwartungen und darüber, wann Erklärungen Kunst bereichern und wann sie ihr im Weg stehen. Was braucht die Kunst in Zukunft? Die letzten zweieinhalb Jahre habe ich mich einem Kunststudium gewidmet und bin sehr froh das gemacht zu haben. Ich habe beobachtet, wie mein Denken und mein Anspruch an politische Kunst, kozeptionelle Kunst, reduzierte Kunst mich manchmal in meiner Umsetzung gebremst hat. Ich habe oft nach Worten und Erklärungen gesucht, warum ein Werk so oder so ist, was das Werk will, worauf es sich bezieht. Wichtige und auch frustrierende Prozesse. Ich glaube alle Materialien haben Bedeutung und Wichtigkeit aber manchmal sind Worte, eine Explizierung das was den Zauber wegnimmt. Wir haben so eine Übersättigung an visuellem oder auditivem Inhalt den wir konsumieren, dass wir auch einfach schneller eine Erklärung oder einen Kontext verlangen, oder ansonsten vielleicht nicht mit dem Werk interagieren. Ich kann mir nicht anmassen zu sagen wie Kunst generell mehr oder weniger sein soll, aber für mich freue ich mich im Moment mehr implizite, unerklärte Kunst zu schaffen. Manchmal fühle ich mich wie eine Farbe, die es nicht gibt | Laila Blessano | Lustre Druck | 83 x 67 cm | 2023 Hat Kunst für Dich eine konkrete Aufgabe? Having an Artistic Practice means paying attention. Ein Kunstwerk ist das Resultat einer Beobachtung und Übersetzung in eine andere Form, ein Zusammenbringen, Verknüpfen, verbinden von inhaltlichem mit sinnlichem. Kunst schafft neue Assoziationen. Kunstvoll kann einfach ein Prozess der Übersetzung sein, das kann sein, wie eine Person kocht, oder eine andere Fussball spielt. Wenn der eigene Ausdruck zum Vorschein kommen will. Manchmal denke ich, vielleicht ist Kunst die Intellektualisierung von Schönheit und Ästhetik. Das eine ist an Emotion gebunden, das andere and Proportion, Rhythmik.  „Modern“/contemporary oder eher „western“ art ist meiner Meinung nach immer mit Intellekt bestück. Konzeptionelle Kunst ist das Höchste. Ohne Konzept oder Kontext ist es nur Dekoration, so scheint es mir. Ich spüre eine starke Ambivalenz in mir diesbezüglich. Ich habe das Gefühl, wenn ich mit dem Studium fertig bin, muss ich bedeutungsvolle Kunst mit Referenzen und viel Intellekt machen. Das Kunstwerk ist dann ein Gefäss, ein „placeholder“ für die Gedanken. Zum einen merke ich diese Erwartung an mich zu haben, weil mir konzeptionelle Kunst selber sehr gefällt, in meiner Praxis die Objekte zu reduzieren und den Research zu verdicken. Zum anderen arbeite ich intuitiv und visuell. Ich möchte etwas erschaffen was ich gerne anschaue, anhöre, fühlen kann und frage mich erst danach, warum. Durch mein Studium habe ich nun nach drei Jahren einen Mittelweg gefunden, der sich wohl in meiner Diplomarbeit am Besten sehen lässt. Ich freue mich schon unglaublich darauf! Was war deine letzte nachhaltige Erkenntnis? 3. Manchmal denke ich meine künstlerische Praxis dreht sich um die Frage wie meine künstlerische Praxis ist und wie ich sie verstehen kann. Erst kürzlich verstand ich, dass ich den Ort, von dem meine Kunst herkommt, endlich klar in mir lokalisieren kann. Worte im Bezug auf mein künstlerisches Schaffen waren schon immer ein Ringen und Kämpfen. Wie wenn einem das vergessene Wort auf der Zunge liegt. Ich singe das Lied des Schattens, ich interessiere mich für das Übersehene und das Verborgene. Für mythische Gesichten, mystische Wesen und den grundlegend menschlichen Wunsch nach Bedeutung und Sinn. Wie lässt sich dein Schaffen in fünf Wörtern beschreiben? Portale, Raum, Korrelation, Conditio Humana, Mysterium und Symbol Wann ist deine nächste Ausstellung? Meine nächste Ausstellung ist am 5. und 6. April 2025. Es ist eine Gruppenausstellung und das Resultat der einwöchigen TIDAL Residency in Laax, Schweiz. Kunst entwickelt sich im Spannungsfeld zwischen Reflexion und Praxis. Laila Blessano hinterfragt, welche Ansprüche an Kunst gestellt werden und wie sie sich zwischen Konzept und Intuition bewegt. Wer ihre Arbeiten sehen möchte: Am 5. und 6. April 2025 zeigt sie Werke im Rahmen der TIDAL Residency in Laax.

  • Kunst im Alltag / SEVE KING

    Eine Hommage an die verborgenen Meisterwerke "Kunst ist nicht nur in Museen oder Galerien zu finden, sondern überall um uns herum", so Severin König, Host des Podcastes Sprachrohr Graubünden. Ein Beispiel dafür liefert dieses Bild einer Sanitäranlage. Auf den ersten Blick mag es einfach wie ein funktionales System von Rohren erscheinen, aber bei genauerem Hinsehen offenbart sich eine Art geordneter Komplexität und Schönheit. Jede Biegung und Verbindung ist mit Präzision und Absicht gestaltet, wie die Komposition eines Künstlers, der mit Linien und Formen arbeitet. Severin König,Gastgeber des Podcasts „Sprachrohr Graubünden“, beschreibt Kunst treffend als etwas, das man „fischen“ kann – manchmal hat man etwas am Haken, und dann möchten alle wissen, was man gefangen hat. Dieses Rohrsystem ist ein perfektes Beispiel dafür. Es zeigt, wie selbst handwerkliche Arbeiten, wie die eines Sanitärs, als Kunstwerke betrachtet werden können. Die Anordnung und das Ineinandergreifen der Rohre haben etwas Ästhetisches, das uns daran erinnert, dass auch im Alltag Kreativität und Kunst zu finden sind – oft dort, wo wir es am wenigsten erwarten.

  • STUDIO OPENING an der Ringstrasse 37 – Tiziano Castegnaro (23) über die Vision hinter CHOSEN

    Am Eingang zur Ringstrasse 37 liegt eine besondere Aufbruchsstimmung in der Luft. Hier öffnet CHOSEN sein neues Studio und lädt die Besucher dazu ein, in die inspirierende Welt einer Marke einzutauchen, die aus Leidenschaft für Mode und Gemeinschaft entstand. Der Mitgründer Tiziano ist eine treibende Kraft hinter dem kreativen Herzstück des Labels. Mit seinem Faible für aussergewönhnlichen Oversize-Gym-Shirts, die sich von den üblichen Angeboten abheben, legte er zusammen mit seinen Partnern Marco den Grundstein für CHOSEN. Tiziano und sein Team sind Quereinsteiger im Modegeschäft, doch der Enthusiasmus und der Wille, ihre Vision zu verwirklichen, brachten sie auf einen ungewöhnlichen und faszinierenden Weg. Das neue Studio in der Ringstrasse soll ein Zentrum für Kreativität und Austausch sein, ein Ort, der Kunden und Freunden der Marke gleichermassen einen Zugang zur Vision und Arbeitsweise von CHOSEN ermöglicht. Ich hatte die Gelegenheit, mit Tiziano über seine Inspiration, die Bedeutung des neuen Standorts und die besondere Philosophie von CHOSEN zu sprechen. Was hat Sie damals inspiriert, CHOSEN ins Leben zu rufen, und wie hat sich diese Inspiration bis heute gehalten? Tiziano: „Die Idee zu CHOSEN entstand aus meinem Wunsch nach einzigartigen Oversize-Gym-Shirts, die sich von den üblichen Angeboten abheben. Gemeinsam mit einem Freund haben wir kreativ experimentiert, bis wir den Namen ‚Chosen‘ fanden – ein Name, der Offenheit und Vielfalt ausstrahlt. Der erste Prototyp war zwar noch nicht ganz überzeugend, doch wir spürten das Potenzial und legten das Projekt eine Weile auf Eis. Die Leidenschaft, es irgendwann wieder aufzunehmen, brachte uns schließlich in Kontakt mit großartigen Produzenten, und heute stehen wir hier. Unsere Inspiration hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, aber die ursprüngliche Motivation bleibt stark. Sie wird jetzt durch neue Erfahrungen bereichert, die wir als Quereinsteiger auf diesem Weg gesammelt haben.“ Was macht diesen neuen Standort für Sie so besonders? Gibt es etwas, das Sie dort verwirklichen können, was vorher nicht möglich war? Tiziano: „Der neue Standort bedeutet für uns sehr viel. Zum ersten Mal haben wir einen Raum, in dem wir unsere Kreativität gemeinsam und vor Ort ausleben können. Die Studio-Atmosphäre gibt uns nicht nur mehr Raum, sondern auch die Möglichkeit, als Team besser zusammenzuwachsen. Vorher waren uns aufgrund von Platzmangel Grenzen gesetzt, doch hier können wir neue Ideen und Prozesse entwickeln und optimieren. Wir haben viele spannende Projekte in Planung, die wir jetzt endlich umsetzen können. Unsere Kunden können sich auf vieles freuen!“ Welche Atmosphäre möchten Sie im neuen „Studio“ schaffen, und wie sollen sich Ihre Kund*innen fühlen, wenn sie den Raum betreten? Tiziano: „Uns liegt daran, dass unser Studio ein einladender und offener Ort ist, an dem unsere Besucher einen authentischen Blick hinter die Kulissen werfen können. Wir möchten, dass unsere Kund*innen die Reise von CHOSEN und unsere Vision besser verstehen. Wenn sie den Raum betreten, sollen sie sich wohlfühlen, sich inspiriert fühlen und Teil unserer wachsenden Community sein. Es soll ein Ort sein, an dem sich jeder willkommen fühlt und unsere Leidenschaft spürbar wird.“ Welche Rolle spielt CHOSEN in Ihrem Leben, und was möchten Sie, dass Ihre Kund*innen über die Marke verstehen? Tiziano: „CHOSEN ist für mich, Marco und Nelson inzwischen viel mehr als nur eine Marke. Es ist ein zentraler Teil unseres Lebens. Wir arbeiten mit sehr viel Herzblut daran, das volle Potenzial von CHOSEN zu entfalten, und unsere Kunden sollen wissen, dass wir immer in Bewegung sind und viele spannende Projekte auf sie warten. Die Qualität steht bei uns an erster Stelle, und es ist uns wichtig, dass unsere Kund*innen nicht nur die Produkte sehen, sondern auch die Energie und das Engagement, die dahinterstecken. Für Fragen oder Anregungen sind wir jederzeit über Instagram unter @chosen.we erreichbar.“ Wenn Sie die Kund*innen nur mit einer Botschaft aus dem neuen „Studio“ nach Hause schicken könnten, was wäre das? Tiziano: „Unsere Botschaft wäre: Schaut hinter die Kulissen und erkennt, wie viel Herzblut in CHOSEN steckt. Es geht bei uns nicht nur um eine Marke, sondern um eine lebendige Community, in der jeder Kunde und Unterstützer ein bedeutender Teil ist. Das Studio soll ein Ort sein, an dem man nicht nur ein Kleidungsstück kauft, sondern Teil von etwas wird – einer Community, die Offenheit und Vielfalt lebt und teilt.“ Das neue Studio von CHOSEN in der Ringstrasse 37 ist nicht nur ein Ort, an dem Mode designt und präsentiert wird. Es ist ein Raum, der für Inspiration, Kreativität und das Gefühl von Gemeinschaft steht. Tiziano und sein Team haben hier eine Atmosphäre geschaffen, die sich von der üblichen Verkaufsfläche unterscheidet – ein Ort, an dem Vision und Leidenschaft spürbar sind. Wer CHOSEN besucht, bekommt nicht nur Mode, sondern Einblick in eine kreative Welt, die Nähe und Authentizität lebt und in der jeder Kunde als wertvolles Mitglied der Community willkommen ist. MEHR INFOS : WWW.CHOSEN7000.COM

  • Keine Grenzen, nur Fragen: Marilena Tscharner und die Ehrlichkeit in der Kunst

    Was darf Kunst? Wo liegen ihre Grenzen – und wer setzt diese überhaupt? Kunst lebt vom Mommy, mommy why dont you like me? (ongoing), aktuellste Version, Acryl auf Hartschaumplatte, 130 x 200 cm, 2023 Diskurs, vom Herausfordern, aber auch vom persönlichen Ausdruck. Doch wie definieren Künstlerinnen ihre eigene Position innerhalb dieser Spannungsfelder? Marilena Tscharner eröffnet in diesem Interview eine nachdenkliche und sehr persönliche Perspektive auf die Kunstwelt. Sie teilt ihre Gedanken zu Tabus in der Kunst, ihren Inspirationsquellen und ihrer einzigartigen Arbeitsweise und erklärt, warum Ehrlichkeit und Reflexion zentrale Bestandteile ihres Schaffens sind. 1. Gibt es Ihrer Meinung nach Themen, die in der Kunst tabu sein sollten? Wo setzen Sie persönlich Grenzen in der künstlerischen Auseinandersetzung?   Tabus im Zusammenhang mit dem Kunstbegriff finde ich schwer zu definieren, da sie immer stark von kulturellen, sozialen und individuellen Perspektiven abhängen.Wenn ein Tabu vorliegt oder sich entwickelt, so obliegt es meiner Meinung nach stets der künstlerischen Freiheit, dieses herauszufordern. Die Kunst sehe ich als eine veränderbare Variable im sozioökonomischen Kontext, welche sich stets neu erfindet, wodurch definierte Grenzen folge dessen keine Beständigkeit erlangen. Persönliche Grenzen setze ich dann, wo es um Inklusion Dritter, nicht-konsensfähiger Parteien geht. So zum Beispiel bei Arbeiten, welche nicht-zurechnungsfähige Personen oder aber auch lebendige Tiere (…) beinhalten.   2. Können Sie von einer Erfahrung, einem Ort oder einem Menschen erzählen, der Sie grundlegend inspiriert hat, Kunst zu schaffen? Was war die „Wurzel“, die Ihren kreativen Weg geprägt hat?   Die Quelle meiner kreativen Prägung ist meine Vergangenheit und das damit verbundene Erinnern. Nicht nur die Fähigkeit, sondern auch der Drang, künstlerisch tätig zu sein, schreibe ich der kreativen Ader meiner Familie zu. Unverständnis, Eigenheit und das Bedürfnis, sich mithilfe der Kunst erklären zu müssen verbinden das künstlerische Schaffen unter dem Namen Tscharner zu einem Gefühl der geistigen Aufgehobenheit. Hinzu kommt als Ursprung auch das Gefühl, genauer das Spüren: Haltlosigkeit, Ungewissheit und Angst im Zusammenhang mit der Einstimmung auf die Zukunft. Was bedeutet Selbstverwirklichung für mich? Wie kann ich meine Zukunft nutzen, um meinem Wesen treu zu bleiben und wie kann ich mich dabei dennoch gleichzeitig weiterentwickeln, um stets meinem eigenen Zeitgeist zu entsprechen? 3. Wie würden Sie Ihren Stil in eigenen Worten beschreiben, und was unterscheidet ihn Ihrer Meinung nach von anderen in der zeitgenössischen Kunstszene?   Ehrlich, sensibel, reflektierend. Meine Arbeit ist der Prozess, dessen Ergebnis nicht das Endprodukt, sondern der daraus entstehende Diskurs und persönliche Mehrwert ist. Ich denke in der heutigen Zeit, besonders auch hinsichtlich digitaler Phänomene ist es nicht selbstverständlich, es könnte gar gefährlich sein, Persönliches in der Form zu teilen, wie ich es tue. Es bietet eine Angriffsfläche, welche viele Menschen nicht bereit sind, offenzulegen. Es ist nicht so, als wäre mir dieser Fakt egal oder gar entgangen, jedoch dient meine Kunst mir in Form von kontinuierlicher Selbstreflexion und damit verbundener Weiterentwicklung. Ich kann gar nicht anders, als ehrlich zu mir selbst zu sein, wo wäre da sonst der Sinn? Bei meiner letzten Ausstellung fand ich Bestätigung darin, dass das Teilen meiner Erfahrungen und Gedanken positive Aspekte mit sich bringt, abgesehen vom rein administrativen Aspekt der künstlerischen Repräsentation im Internet. Im Augenschein meiner Arbeit teilten Betrachtende mir ihre Erfahrungen mit, wobei mich dies nicht nur gestärkt sondern auch berührt hat. Vielleicht können wir alle wieder etwas menschlicher, etwas ehrlicher mit uns selbst werden?    4. Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein unbegrenztes Budget und völlige Freiheit, eine Ausstellung zu gestalten. Welche Vision würden Sie verwirklichen, und wie würden Sie Ihr Publikum in diese Erfahrung einbinden?   «mintgegn cun sieus pêr» - Gleich und Gleich gesellt sich gern. Obwohl ich an jegliche Verrücktheiten denken muss in Anbetracht der grossen Offenheit dieser Frage, komme ich dennoch immer wieder auf dieselbe Antwort zurück. Mein Wunsch ist es, das verlorengehende künstlerische Erbe meines Urgrossvaters zu monumentalisieren. Ganz im Sinne meiner reflektierenden Tendenzen möchte ich mehr über meinen künstlerischen Ursprung erfahren und damit auf experimentelle Weise arbeiten. Mächtige, organischen Holzskulpturen und monströsen Fratzen mit schweren, betäubenden Inhalten in einen Kontrast zu grossen, möglicherweise sogar themenaufgreifenden Malereien oder malerisch-plastischen Collagewerken zu stellen und vereinen könnte eine schwere Kost für die ein oder andere besuchende Person sein, würde jedoch eine Menge Raum für Diskurs bieten, was genau in meinem Interesse liegt.  Marilena Tscharner zeigt in diesem Gespräch, dass Kunst viel mehr ist als das Werk an der Wand oder die Skulptur im Raum. Kunst ist Prozess, Selbstreflexion und Kommunikation – mit sich selbst und mit der Welt. Ihre Perspektiven auf Tabus, Inspiration und den Umgang mit der eigenen künstlerischen Identität laden dazu ein, den eigenen Blick auf Kunst und ihre Rolle in der Gesellschaft zu hinterfragen. Vielleicht, so wie sie sagt, kann Kunst uns dabei helfen, ein wenig ehrlicher mit uns selbst zu werden. more infos. www.marilenatscharner.ch

  • Im Spiegel von Stoff und Kunst: Marc Du Mûriers Suche nach Ausdruck und Identität

    MARC Du Mûriers Was bedeutet es, zwischen Seide und Stecknadeln aufzuwachsen, die Welt der Kunst in der Mode zu entdecken und schliesslich den eigenen Weg zwischen Material, Körper und Territorium zu finden? Marc Du Mûrier, ein multidisziplinärer Künstler und Forscher, verbindet all diese Elemente in seiner Arbeit. Sein kreatives Schaffen, das von der Glaskunst bis zur visuellen Kunst reicht, ist geprägt von einer tiefen Auseinandersetzung mit Fragen der Zugehörigkeit und Identität. Dieses Interview führt uns in seine Gedankenwelt und zeigt, wie sich Kunst und Mode als vielschichtige Kommunikationsmittel verweben. Inwiefern entdecken Sie Kunst in der Mode und wo besteht für Sie die Verbindung zwischen beiden Welten? Als Sohn einer Künstlerin, Modedesignerin und Schneiderin habe ich meine ersten Schritte zwischen Seide und Stecknadeln gemacht, bin sozusagen in die Mode hineingeboren. Später studierte ich verschiedene Kunstrichtungen, angefangen von der Glasmalerei bis hin zur visuellen Kunst. Erst danach habe ich angefangen, mich für den Körper als Medium für meine Werke zu interessieren. Wenn wir von einer Verbindung sprechen, dann deshalb, weil Kunst und Mode zwei miteinander verwobene Welten sind. Obwohl sie nah beieinander liegen, ist der Weg zwischen ihnen schwierig und reichhaltig zugleich. Es ist schwierig, in der Mitte zu bleiben und nicht auf die eine oder andere Seite zu kippen. Sowohl Kunst als auch Mode sind Mittel, um ein Wort oder einen Gedanken zu kommunizieren. Was ich an der Kunst liebe, ist die völlige Freiheit der Materialien und Formate, und was mich an der Mode fasziniert, ist das Medium selbst, der Körper, als ein wunderbares «Rohmaterial», analog zu einem unbeschriebenen Blatt. 2. Betrachten Sie Prêt-à-porter als Verbündeten des Konsums oder als Plattform für Kreativität? è Wenn es um die Sorge um den überm.ssigen Konsum geht, dann ist Prêt-à-porter eine Art zu konsumieren wie jede andere. Ich finde aber, dass ein Second-Hand- Kleidungsstück, das schon ein «Leben» hinter sich hat, von sich aus mit uns kommuniziert. Ob es nun aus der Haute Couture oder aus verschiedenen Konfektionsbetrieben stammt, ein Kleidungsstück wird durch seine Funktion abgenutzt und schliesslich zerstört. In meinen aktuellen Projekten bildet meine eigene Kleidung oft die Basis; Sie ist Second-Hand und ich trage sie bis zum Schluss ab. Wie langjährige Freunde möchte ich sie nicht verlieren, also transzendiere ich sie in einem Werk. Was macht für Sie einen stilvollen Menschen aus und wie spiegeln sich Persönlichkeit und Ästhetik im Stil wider? Eine stilvolle Person kennt vor allem sich selbst und ihren Körper und kann ihn gekonnt bewegen. Dies macht 70 % des Stils aus. Die restlichen 30 % fallen auf eine gute Auswahl an Kleidung, die das vermittelt, was die Person sagen möchte. MG VOCAL TUBE GRAUBÜNDEN Ein allgemeiner Stil oder ein Accessoire kommuniziert für uns; es wäre falsch, das Gegenteil zu behaupten. Ein Stil ist wie eine Komposition für ein Gemälde: manchmal funktioniert es, manchmal müssen wir weiter daran arbeiten. Aber wir alle liegen mal daneben, wichtig ist, dass wir uns an die Erfolge erinnern. 4. Wenn Sie als Modedesigner für eine beliebige Marke arbeiten könnten, welche Marke würde Ihre Vision am besten repräsentieren und warum? Ich mag viele Marken, wie Yves Saint-Laurent, Alexander McQueen und Vivianne Westwood. Aber es gibt überall Schönes und Interessantes. Wenn ich mich für ein Modehaus entscheiden müsste, dann würde ich mein eigenes gründen. Ich frage mich immer, wie ein Designer vorgeht, wenn er für ein Modehaus arbeitet, das nicht sein eigenes ist. Der Druck muss enorm sein. Ich könnte mich nicht für ein Modehaus oder eine Marke entscheiden. Ich möchte meinen eigenen Stil entwickeln und offen für Kooperationen bleiben. 5. Erinnern Sie sich an eine besondere Begegnung oder ein bemerkenswertes Gespräch im Rahmen einer Ausstellung, das Ihre Sicht auf die Kunst oder die Menschen nachhaltig beeinflusst hat? Gute Frage! Ich liebe es, mich zu entwickeln und mich mit anderen Menschen auszutauschen. Aber ich erinnere mich an ein Treffen mit einem Designer aus Zürich, den ich kennengelernt habe, als ich überlegte, ob ich einen Master in Mode machen sollte. Ich fragte ihn, was er mir raten würde und er meinte: «Du hast bereits so viel technisches und künstlerisches Wissen! Geh in dein Atelier und arbeite, das ist die beste Schule.» In der Begegnung mit Marc Du Mûrier wird klar, dass wahre Kreativität in der Fähigkeit liegt, Verbindungen zu schaffen – zwischen Disziplinen, Materialien und Menschen. Seine Perspektiven sind eine Einladung, die Grenze zwischen Kunst und Leben neu zu denken, stets mit dem Ziel, das Rohmaterial unserer Existenz mit Tiefe und Bedeutung zu füllen. MORE INFORMATIONS: https://www.marcdumurier.com

  • Raphael M. Kleinstein: Zwischen Käfern und Codes

    Die Kunst von Raphael M. Kleinstein bewegt sich in einem faszinierenden Spannungsfeld zwischen traditionellem Handwerk, digitaler Technologie und der Inspiration durch die Natur. Seine Werke, die oft minutiös geplante Reliefs und Skulpturen umfassen, entstehen aus einer Symbiose von althergebrachten Techniken und modernster künstlicher Intelligenz. In diesem Interview erzählt er von seinem kreativen Prozess, seinen Inspirationsquellen und den Herausforderungen, die ihn immer wieder neu antreiben. 1. Ihre «Trophäen der Stille» scheinen ein Dialog zwischen Natur, Kunst und künstlicher Intelligenz zu sein. Wie definieren Sie das Gleichgewicht zwischen diesen drei Welten in Ihrer Arbeit? Mein Weg zum Atelier führt durch ein kleines Stück Wald. Ich könnte auch den direkten Weg durch die Stadt nehmen, aber ich mag diesen Umweg. Oft begegnen mir Käfer oder ich finde ein interessantes Blatt. Mir gefallen die banalen und alltäglichen Gegenständen aus der Natur. Jeder kennt Sie und niemand weiss genau, was er da eigentlich sieht. Meine Skulpturen plane ich minutiös und zeichne, modelliere und male alles von Hand. Nachdem ich meinen ersten Käfer fertiggestellt habe, hat mir etwas gefehlt. Also setzte ich mich hin, nahm mein iPad in die Hand und generierte mit Hilfe von Artificial Intelligence eine passende Landschaft. Anschliessend druckte ich das Bild im Siebdruckverfahren. Die Auseinandersetzung von Handwerk und neuen Technologien empfinde ich als symbiotisch und in einer gewissen Weise als evolutionär. 2. Ihre Reliefs und Skulpturen feiern die Einfachheit und den Stillstand. Wie erreichen Sie es, in einer Welt des ständigen Wandels diese Stille zu visualisieren und greifbar zu machen? Ehrlich gesagt ist das eine grosse Schwäche von mir. Durch meine neurotische Persönlichkeit habe ich einen ausgesprochen hohen Bedarf nach Einfachheit und Ruhe. Oder anders gesagt, Unordnung treibt mich an oder in den Wahnsinn. Aus diesem Grund arbeite ich so lange an einer Skulptur, bis jede Kurve und jede Schattierung perfekt sitzt. 3. Sie sprechen von einer «Neuen Natürlichkeit», die an die Strenge der Neuen Sachlichkeit erinnert. Wie würden Sie diese Ästhetik für jemanden beschreiben, der Ihre Werke noch nicht gesehen hat? Stellen Sie sich vor, sie treten in einen Zengarten der Ruhe und Gelassenheit. Kein Lärm, keine Hektik – nur Sie und die Natur in perfekter Harmonie. Was klingt wie aus einer geführten Meditation, ist Ausdruck und Inhalt meiner Arbeit. Mit meiner Gestaltung folge ich der Idee der Einfachheit und Reduktion – alles Überflüssige wird weggelassen, um Raum für das Wesentliche zu schaffen. Dabei geht es mir nicht nur um das Erscheinungsbild, sondern um die innere Haltung. 4. Aber wie vereinbaren Sie den Einsatz von künstlicher Intelligenz mit Ihrer «Neuen Natürlichkeit». Oder anders formuliert: Wie kann etwas, das durch künstliche Intelligenz generiert wurde, noch natürlich sein? Das ist eine Frage der Wahrnehmung und der Voraussetzung. Gehe ich davon aus, ich sehe eine Fotografie eines Naturfotografen und es stellt sich heraus, das Bild wurde künstlich generiert, werde ich wahrscheinlich enttäuscht. Wenn ich als Künstler die Natur bewusst inszeniere und überhöht darstelle, spielt der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine untergeordnete Rolle. Zum Beispiel haben wir uns im Kino an künstlich erzeugte Welten bereits so gut gewöhnt, dass es heute als Qualitätsmerkmal gilt, wenn der Film besonders realistische CGI einsetzt. In der Zukunft können wir den Unterschied von echten und künstlichen Bildern nicht mehr unterscheiden. Wenn wir unseren visuellen Einschätzungen nicht mehr trauen können, wie beurteilen wir dann Echtheit. Wir müssen uns unweigerlich auf eine neue «Wahr-Nehmung» einstellen. 5. Die Inspiration durch Künstler wie Maria Sibylla Merian und Ernst Haeckel zeigt Ihre Affinität zur Wissenschaft und Naturbeobachtung. Welche Rolle spielt Wissenschaft in Ihrer künstlerischen Vision? Eine grosse Rolle. Mir geht es darum, wie wir die Natur wahrnehmen. Maria Sibylla Merian und Ernst Haeckel offenbarten uns eine Sicht auf die Welt, die die Menschen bis dahin nicht kannten. Die Wissenschaft hilft uns, die Natur besser zu verstehen. Gleichzeitig wirken wir auf sie ein und emanzipieren uns von ihr. Durch Wissen fördern wir also nicht zwangsläufig Nähe. Indigene Völker haben ein höheres Naturbewusstsein, trotz ihrem Wissen, sie setzen es aber anders ein. In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit dieser Ambivalenz der modernen Gesellschaft. Ich sehe den Menschen in einer postpubertären Beziehung zur Mutter Natur. Wir wissen, dass eine Kreuzfahrt dem Klima schadet und tun es ungeachtet dessen. Als Folge begleitet uns ständig ein schlechtes Gewissen. 6. Ihre früheren Projekte wie «Terra One» und «Terra Form» haben eine experimentelle Tiefe. Wie hat Ihre Auseinandersetzung mit Materialien wie Pigmenten und Fragmenten Ihren kreativen Prozess geprägt? Das Projekt «Terra Form» war sehr experimentell. Ich brauchte über zwei Jahre Entwicklungszeit für ein neues Verfahren, Pigmente mit minimaler Zugabe von Bindemitteln zu binden. Das Resultat waren ultra matte Farben, die keine sichtbaren Reflexionen zulassen und die Farbwiedergabe unverfälscht wiedergeben. Das Verfahren habe ich laufend weiterentwickelt und heute male oder drucke ich mit genau diesen Farben.Bei Terra One ging es um die fiktive Mission, einen fremden Planeten zu erforschen. Eigentlich wollte ich das Projekt im Sommer im Flimser Skigebiet durchführen. Das Projekt verzögerte sich aber und es wurde Herbst. Als mein Team und ich auf dem Berg waren, überzog eine dicke Schneeschicht die Landschaft. Weil mein Raumanzug nur aus einem dünnen Neoprenanzug bestand, fror ich fürchterlich. Nach zwei Stunden Dreharbeiten war ich so stark unterkühlt, dass ich ohne Hilfe nicht mehr aus dem Anzug kam. Zuhause stellte mein Kameramann fest, dass sein analoges Filmmaterial durch die Kälte zerstört wurde. Eine Woche später mussten wir nochmals auf den Berg und alles neu drehen. Es war eine einzige Katastrophe. Heute gehe ich nach wie vor gerne Risiken ein, aber ich bevorzuge es, alleine zu arbeiten. Das Interview zeigt die facettenreiche Auseinandersetzung von Raphael M. Kleinstein mit Natur, Wissenschaft und Technologie. Seine Werke hinterfragen unsere Wahrnehmung und öffnen den Blick für neue Perspektiven. Wer mehr über den Künstler und seine Arbeiten erfahren möchte, findet weitere Informationen auf seiner Website: www.raphaelkleinstein.ch

  • Studienstart mit Stil: Leoni Fischer über das Modedesign-Studium bei Manuel Fritz

    Leoni hat sich auf ein Abenteuer eingelassen: Sie verliess die Schweiz, um in Deutschland an der renommierten Manuel Fritz Modeschule Modedesign zu studieren. In diesem Interview spricht sie über ihr neues Leben in einer neuen Stadt, ihre kreativen Herausforderungen und die persönlichen Veränderungen, die ihr Studium mit sich bringt. Von kulturellen Überraschungen bis zu ihrem Lieblingsprojekt – einem raffinierten Etuikleid – nimmt Leoni uns mit auf ihre Reise und gibt authentische Einblicke in ihren Alltag zwischen Stoffen, Stilen und Inspiration. 1.     Was hat dich dazu bewegt, die Schweiz zu verlassen und in Deutschland Modedesign zu studieren, und wie war es, diesen Schritt zu wagen?   Tatsächlich hat mich eine Instagram-Werbung nach Deutschland gebracht. Meine Modeschule hatte eine Anzeige geschaltet, die mich an meinen Kindheitstraum erinnerte. Schon als kleines Kind interessierte ich mich für Mode, doch mit den Jahren geriet dieser Traum, Modedesignerin zu werden, irgendwie in den Hintergrund. Ich hatte das Gefühl, dass er wohl immer ein Traum bleiben würde. Als ich dann die Werbung sah, ging plötzlich alles sehr schnell. Ich erzählte meinen Eltern davon, und sie sagten sofort, dass sie mich gern unterstützen würden. Einmal hörte ich eine Frau sagen, dass sie bei großen Entscheidungen oft einfach das tat, was sie für richtig hielt, ohne es lange zu hinterfragen. Und genau so war es auch bei mir: Nachdem ich die Werbung gesehen hatte, war mir ziemlich schnell klar, dass ich nach Deutschland ziehen musste. Ich wusste es nicht besser – also habe ich mich beworben und bin umgezogen.  2.     Gab es kulturelle oder schulische Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland, die dich überrascht haben?   Ja, die gibt es auf jeden Fall. Als ich noch in der Schweiz lebte, dachte ich, dass Deutschland und die Schweiz recht ähnliche Länder seien. Tatsächlich sind sie jedoch ganz verschieden. Als ich in Deutschland ankam, wurden meine Nachbarn schon am ersten Tag zu einer Art zweiten Familie für mich. Die Menschen hier habe ich als sehr offen und hilfsbereit erlebt. Gleichzeitig spürt man jedoch vor allem auf den Straßen eine Art Dauerstress. Auch die Bürokratie – von der Anmeldung bis zu den verschiedenen Ämtern – fand ich herausfordernd, obwohl ich die deutsche Sprache bereits beherrschte. In der Schweiz lief das alles viel unkomplizierter ab. In der Schule war ich sehr überrascht, dass mein Fachabitur in Gestaltung und Kunst nicht als Fachabitur in Deutschland anerkannt wurde. Stattdessen konnte ich nur meinen Schweizer Realschulabschluss auf einen deutschen erweitern. Anfangs konnte ich das gar nicht nachvollziehen. Doch als wir dann in meiner Schule Mathematikunterricht hatten – der hier Teil des Stundenplans ist, da es sich um ein Berufskolleg handelt – verstand ich es. Wir beschäftigten uns mit Parabeln, ein Thema, das ich in der Schweiz erst in meinem Fachabitur durchgenommen hatte, hier aber schon in der 10. Klasse zum normalen Schulstoff gehört. Ich war gleichzeitig schockiert und fasziniert. Ich hätte nie gedacht, dass das Schweizer Bildungssystem so anders ist. Besonders im Bereich Mathematik wurde mir hier gezeigt, dass ich mich auf eine neue Denkweise einlassen muss.   3.     Wie würdest du das Lernumfeld an der Manuel FRITZ  Modedesignschule beschreiben, und was schätzt du besonders daran?   Ich empfinde das Lernumfeld als sehr angenehm. Zum einen liegt das daran, dass in meiner Klasse jede*r so akzeptiert wird, wie er*sie ist, und in seiner*ihrer individuellen Persönlichkeit bestärkt wird. Zum anderen haben wir sehr kompetente Lehrkräfte. Auch die Ausstattung der Schule ist erstklassig und auf dem neuesten Stand. Wir haben Zugang zu modernen Geräten wie 3D-Druckern, 3D-Scannern, einem Fotostudio, einer Siebdruckwerkstatt und Plottern. Die Räume sind angenehm groß und werden von natürlichem Licht durchflutet. Wir dürfen die Infrastruktur der Schule in unserer Freizeit kostenlos nutzen, und oft stehen uns die Lehrkräfte auch außerhalb des Unterrichts für Fragen zur Verfügung – was keineswegs selbstverständlich ist. Besonders wertvoll finde ich, dass viele Dozenten aus verschiedenen Berufsfeldern kommen und so ihr Fachwissen aus der Praxis mit uns teilen. Man merkt, dass sie ihre Arbeit mit Leidenschaft ausüben, und das bereichert unser Lernen enorm. Wir bekommen dadurch ein viel breiteres Spektrum an Wissen vermittelt, als ich es von anderen Schulen gewohnt bin.     4.     Hast du ein Projekt oder eine Designarbeit, die dir besonders am Herzen liegt, und was hat dich daran inspiriert?   In der Schule arbeiten wir oft an Projekten, in denen wir bestimmte Fachrichtungen vertiefen. Eines dieser Projekte drehte sich um das Thema ‚Kleid‘. Unsere Aufgabe war es, ein schlichtes Etuikleid zu entwerfen, das dennoch etwas Besonderes an sich hat. Ich persönlich mag Etuikleider eigentlich gar nicht und fand sie immer schrecklich – aber durch dieses Projekt habe ich begonnen, ihnen etwas abzugewinnen. Ich suchte nach kreativen Möglichkeiten, die Grundvorgaben der Schule auf eigene Weise umzusetzen. Um das Kleid besonders zu gestalten, habe ich mit Abnähern experimentiert, die oft zur Anpassung und Formgebung eingesetzt werden. Dabei kam ich auf die Idee, den Brustabnäher mit dem Taillen- und Hüftabnäher über Kreuz zu verbinden, was eine schöne Kurvenlinie ergab. Was ich zu dem Zeitpunkt jedoch noch nicht wusste: Es ist sehr anspruchsvoll, Kurven zu nähen, da sich der Stoff dabei leicht dehnen kann. Um die Schnittführung zusätzlich hervorzuheben, wählte ich zwei unterschiedliche Materialien – Baumwollpopeline und ein Leinengewebe. Auch hier lernte ich etwas Neues: Materialien mit unterschiedlicher Elastizität lassen sich schwer kombinieren, da dies zu größeren Dehnungen und Verzerrungen führen kann, vor allem in den Rundungen. Dieses Kleidungsstück haben wir schließlich in einer Klausur genäht, und es ist mittlerweile eines meiner Lieblingswerke geworden. Ich nannte das Kleid damals ‚Dress Desserd‘, weil ich oft ans Essen denke. Nach ein paar Monaten betrachtete ich das Werk und seinen Namen erneut und entdeckte, dass ‚Desserd‘ rückwärts gelesen ‚Dressed‘ ergibt. Seitdem mag ich das Kleid noch viel mehr. Durch diese Arbeit habe ich gelernt, dass auch Aufgaben, die man anfangs nicht mag, in etwas Wunderschönes verwandelt werden können. 5.     Inwiefern hat dich das Studium des Modedesigns persönlich verändert oder beeinflusst, sei es im Denken, Stil oder Selbstbewusstsein?   Ich habe gelernt, dass das Wertvollste, was ich besitze, meine Zeit ist. Zeit ist immer knapp, doch jede*r von uns hat es in der Hand, sie sinnvoll einzuteilen. Eine wichtige Erkenntnis für mich war auch, dass es produktiver ist, Pausen einzulegen, anstatt durchzuarbeiten. Deshalb habe ich begonnen, sonntags einen analogen Tag einzulegen, an dem ich keine digitalen Geräte nutze. An diesen Tagen kann ich in Ruhe und Stille zur inneren Ausgeglichenheit finden. Das hilft mir, über die ganze Woche hinweg aufnahmefähig zu bleiben, meine Umwelt bewusst wahrzunehmen und mich von früh bis spät voll in meine Projekte einzubringen. Trotz des Schulstresses – und ich glaube, ich habe noch nie so viel gearbeitet wie in den letzten zwei Jahren – fühle ich mich hier immer mehr wie ich selbst. Ich lerne mich persönlich besser kennen und auch, mich selbst wertzuschätzen. Leonis Geschichte ist eine Hommage an den Mut, Träume zu verwirklichen, und daran, wie wichtig es ist, manchmal einfach ins kalte Wasser zu springen. Ihre Erfahrungen lassen uns erinnern, wie viel Schönheit darin liegt, Neues zu wagen und darin ein Stück von sich selbst zu finden. INSTAGRAM: @THATLIONFISH

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